Vorab möchte ich bemerken, dass ich hier bewusst auf Dekubitusfotos verzichtet habe. Ich möchte damit vermeiden, dass diese Fotos als Maßstab benutzt werden und ein Dekubitus somit nicht richtig erkannt wird. Die Erkennung ist einem Fachpersonal vorbehalten, dazu weiter unten.
Mit dieser Problematik sollte sich jeder querschnittgelähmte vorab beschäftigen, damit es nicht erst zu diesem Problem kommt. Ist es erst einmal zu einem Dekubitus gekommen, so muss sich jeder Betroffene mit einer langen Behandlungszeit abfinden!
Unterschiede zwischen einem querschnittgelähmten und einem gesunden Menschen im Zusammenhang des Dekubitus
Ein gesunder Mensch besitzt am ganzen Körper Gefühl. Er kann daher auf unangenehme Schmerzreize reagieren und nach einer langen Belastung einer Körperstelle die Sitzposition oder Liegeposition von selbst ändern. Ein querschnittgelähmter Mensch ist an den betroffenen Stellen des Körpers empfindungslos. Somit verspürt er nach einem langen Verweilen in einer Position kein Schmerzempfinden. Dadurch ist dieser immer der Gefahr ausgesetzt einen Dekubitus zu bekommen. Dieser Personenkreis kann aber Vorkehrungen treffen damit es nicht erst soweit kommt, aber dazu später.
Was ist ein Dekubitus und wie entsteht er
Ein Dekubitus ist ein Druckgeschwür, das bei lang anhaltender Druckeinwirkung entsteht. Der Volksmund spricht vom "sich wund liegen". Ein querschnittgelähmter Mensch kann sich auch wund sitzen, weil er unterhalb des Körpers empfindungslos ist.
Der Begriff Druckgeschwür weist auf die lokale Druckbelastung als maßgeblichen Entstehungsfaktor hin. Es gilt die Formel: Druck mal Zeit. Dauert eine Druckbelastung, die die Kapillardruckschwelle überschreitet weiter an, kommt es durch die folgende Unterversorgung der Zellen mit Sauerstoff und Nährstoffen zu einer Absenkung des Sauerstoffpartialdruckes, sowie einer Ansammlung von toxischen sauren Stoffwechselproduktion und daraus folgend zu einer Nekrosebildung des Gewebes sowie einer irreversiblen Schädigung der Nervenzellen. Der Anstieg der sauren Stoffwechselprodukte löst bei gesunden Menschen einen Reflex aus, der zu einer Umlagerung und damit Entlastung der gefährdeten Hautstellen führt, bevor die entsprechenden Areale bleibende Schädigungen erleiden. Diese Umlagerung geschieht bei einem gesunden Menschen auch im Schlaf. Bei querschnittgelähmten Personen sind diese Reflexe nicht mehr vorhanden, so dass es bei diesen Personen nicht mehr zu der notwendigen Entlastung des Gewebes kommt. Auf die folgende Übersäuerung des Gewebes reagiert der Körper mit einer Weiterstellung der Gefäße, so dass es diese Hautareale stärker durchblutet werden – eine auch bei Druck bleibende Hautrötung – ein Dekubitus Grad 1 – ist die Folge. Als besonders gefährdet gelten Stellen mit geringer Weichteildeckung (Muskeln oder Fettgewebe) und konvexen knöchernen Widerlagern, da entstehender Druck auf Grund des fehlenden Unterfettgewebes nicht genügend verteilt werden kann, wie die Kreuzbeinregion, die Fersen, die Rollhügel der Oberschenkelknochen und der Knöchel.
Die Entstehung eines Dekubitus muss als multifaktorielles Geschehen gesehen werden, wobei zwischen intrinsischen und extrinsischen Risikofaktoren unterschieden wird. Während die intrinsischen Faktoren „in dem Patienten selbst“ (reduzierte Mobilität, Alter, Ernährung, Austrocknung, Gewicht, Zuckererkrankung, Infektionen, Inkontinenz, Sensibilitätsstörung) begründet liegen, werden die extrinsischen Faktoren durch das Umfeld des Patienten bestimmt und lassen sich im günstigen Fall durch Mobilisierung und die Wahl eines geeigneten Hilfsmittels (Sitzkissen, Antidekubitusmatratze, Fersenschoner,…) sowie korrekte Lagerung und konsequente Pflege des Betroffenen positiv Beeinflussen.
Offene Dekubitalgeschwüre können als Eintrittspforte für Erreger angesehen werden, welche nicht nur lokale Infektionen verursachen. Eine Dekubitalläsion kann daher zum Beispiel durch Streuung von Eiterherden über die Blutbahn eine ganze Reihe schwerwiegender und unter Umständen auch tödlicher Folgeerkrankungen wie Lungenentzündung oder sogar Blutvergiftung nach sich ziehen.
Vorbeugung damit es nicht erst soweit kommt
Mobilisierung
Der Bettlägerige sollte so bald wie möglich mobilisiert werden. Zur Mobilisation eines Patienten gehören nicht nur das Aufstehen, sondern jegliche Bewegungsübungen (auch im Bett) zum Beispiel durch eine gezielte Physiotherapie. Werden diese Übungen in andere Pflegeabläufe (Ganzkörperwaschung, Umlagerung) integriert, so erfordern sie im Vergleich zum Nutzen geringen Zeitaufwand.
Lagerung
Ziel der Lagerung zur Dekupitusprophylaxe ist die Vergrößerung der Auflagefläche. Dadurch wird das Gewicht des Patienten auf eine größere Fläche verteilt, der Auflagedruck auf einzelne Körperstellen wird somit geringer. Es wird zwischen Weich- und Superweichlagerung unterschieden:
Beim Weichlagern (zum Beispiel mit Antidekubitusmatratzen, Wasserbett, Gelkissen, Fell) soll der Auflagedruck einen bestimmten Druck nicht überschreiten.
Mit Hilfe spezieller Matratzen kann der Patient superweich gelagert werden, wodurch eine uneingeschränkte Sauerstoffversorgung aller Hautbezirke gewährleistet werden soll.
Weich und Superweichlagerungen führen jedoch zur Mobilitätseinschränkung und hemmen Spontanbewegungen des Betroffenen. Aus diesem Grund sollten Patienten die sich noch minimal bewegen können, nicht zu weich gelagert werden!
Lagerungswechsel
Genügen Weich- und Superweichlagerungen nicht zur Dekubitusprophylaxe aus, muss der Patient in festen Zeitabständen, in der Regel aller 2 Stunden, umgelagert werden. Regelmäßiges Umlagern sorgt für eine zwischenzeitige völlige Druckentlastung gefährdeter Hautbezirke und verhindert gleichzeitig eine Kontrakturbildung (Versteifung, Verkürzung der Muskeln und Sehnen) an den Extremitäten.
Hautpflege
Sie dient dem Schutz der Haut vor schädlichen Einflüssen. Zum Beispiel schützt die Hautpflege die Haut bei inkontinenten Patienten vor Stuhl und Urin. Eine „Ernährung“ der Haut von außen ist nicht möglich, so dass Cremes und Salben keine Handlung ersetzen, die die Hautdurchblutung (also die Ernährung von innen) gewährleisten, zum Beispiel Lagerung und Lagewechsel. Wichtig zu wissen ist, dass feuchte Haut in einen Dekubitus übergehen kann. Daher ist es wichtig, die Haut trocken zu halten!
Fremdkontrolle oder Selbstkontrolle
Wie nun erwähnt ist eine querschnittgelähmte Person an den dekubitusgefährdeten Körperstellen empfindungslos. Daher ist eine tägliche Sichtkontrolle zwingend notwendig. In der häuslichen Krankenpflege durch einen Pflegedienst, sollte nach dem verlassen des Rollstuhles oder eines langen Bettaufenthaltes die dekubitusgefährdeten Körperstellen in Augenschein genommen werden. Ist der Betroffen von keinem Pflegedienst abhängig, so kann dieser diese Kontrollen mit Hilfe eines Spiegels, der an einer Verlängerung befestigt ist, auch selbst durchführen. Sind Hautrötungen vorhanden die innerhalb etwa 20 Minuten nicht wieder verschwindet, ist es ein erstes Zeichen eines beginnenden Dekubitus. Es muss sofort gehandelt werden! Einreiben der Körperstelle oder Körperstellen mit einer durchblutungsfördernden Salbe und einer anschließenden Entlastung der Körperstelle sind erforderlich. Außerdem sollte auf eine weiche Lagerung, eventuell auf einer Spezialmatratze, gedacht werden.